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Serielles Bauen von Bushaltestellen auf Basis produktneutraler Austauschformate
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Das DigiLab des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer der Stadt Hamburg hat es sich zur Aufgabe gemacht, Bushaltestellen in Serienproduktion zu realisieren. Ein Expertenteam um Martin Mense, Produktentwickler im DigiLab des LSBG, verantwortet Strategie und Umsetzung. Im Fokus stehen standardisierte Einkaufsprozesse auf einer durchgängig digitalen Plattform, die von allen Beteiligten genutzt wird. Eine Schlüsselrolle kommt Projektinformationen zu, die nicht an eine Software oder an einen Hersteller gebunden sind.
Warum eine Bushaltestelle nicht einfacher zu realisieren ist, als ein Brückenneubau
Jede Bürgerin und jeder Bürger der Stadt Hamburg soll mittel- bis langfristig die Möglichkeit erhalten, in nur fünf Minuten fußläufig ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen. So die Idee des Hamburger Senats. Im Zuge des Großprojekts Hamburg.Takt soll der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), insgesamt 670 Bushaltestellen neu projektieren. Um dieses Bauvolumen zu schaffen, werden ausgesuchte Bushaltestellen gebündelt und nach serieller Bauweise erstellt. Denn obwohl eine Bushaltestelle auf den ersten Blick nicht den Eindruck eines besonders komplexen Bauwerks erweckt, können Planung und Realisierung sowie die anschließende Instandhaltung ähnlich herausfordernd wie ein Brückenneubau sein. „Ein Eingriff in die Infrastruktur macht es immer unumgänglich, sämtliche beteiligte Parteien einzubinden“, weiß Martin Mense vom LSBG. „Von Einzelhändlern über Gastronomen bis hin zu den Anwohnenden und vielen Weiteren ist die Liste der Stakeholder stets lang. Hinzu kommen die Genehmigungsprozesse für Projekte im Tiefbau. Und nicht zu vergessen: Auch jegliche Realisierungsträger, wie Gas, Wasser oder Telekommunikation, die am Bauwerk partizipieren, zählen zu den Projektbeteiligten“, fügt der Experte hinzu.
Einkaufen ohne Schnittstellen
Es braucht also zunächst einen Plan, wie sich Projektbeteiligte sinnvoll miteinander vernetzen lassen, um den bürokratischen Papierkrieg zu beenden. Und das ist in einer Großstadt wie Hamburg nicht so einfach. 25 Träger öffentlicher Bauaufgaben gibt es innerhalb der Hansestadt. Alle verantworten ihre Bauaufgaben selbstständig, haben eigene Technologien im Einsatz und grundsätzlich individuelle Geschäftsprozesse. „Wir haben das Ziel vor Augen, dass wir den Einkauf in der Planung, im Bau und in der Instandhaltung dieser Bushaltestellen, also über den gesamten Lebenszyklus hinweg, auf ein gemeinsames Prozessverständnis bringen und damit das Level an Bürokratie beträchtlich senken können“, berichtet Mense. Gleichzeitig verspricht sich der LSBG bei einer enorm hohen Abnahme von Bauleistungen günstigere Preise bei Herstellern und Händlern.
Die Basis dafür soll ein durchgängig gemeinsames Prozessverständnis aller Baubehörden Hamburgs bilden sowie ein Bauwerksmodell, das sich ideal im öffentlichen Raum implementieren lässt. Hierzu bringt das DigiLab des LSBG neue Vergabe- und Vertragsmodelle zum Einsatz, so beispielsweise den Mehrparteienvertrag/IPA, mit denen die vielen unterschiedlichen Körperschaften zusammengeführt werden sollen. „Im Prinzip geht es darum, über die Methode BIM2AVA, einen objektbasierten Einkaufsprozess nach Standardleistungskatalog zu entwickeln. Damit wollen wir die vielen Insellösungen, mit denen wir bislang größtenteils arbeiten, ablösen, damit wir Prozesse transparent darstellen können“, erklärt der Profi.
RIB iTWO 5D als Basis-Software
Das DigiLab wird diese transformatorische Aufgabe übernehmen und alle beteiligten Behörden einbinden. Martin Mense, vordergründig Bauexperte, wird in dieser Instanz von verschiedenen IT- und Softwareprofis unterstützt. Ziel ist es, mit der strategischen Produktentwicklung der Arbeitsplattform Serielles Bauen zur digitalen Transformation des LSBG und seiner Stakeholder beizutragen. Als IT-Grundgerüst soll die Software RIB iTWO 5D dienen. Die Idee ist, eine Brücke zu schlagen vom technischen Entwurf des 3D-Bauwerksmodells über die AVA-Prozesse nach Standardleistung bis ins Asset-Management, das beim LSBG mit SAP S4/HANA abgewickelt wird.
RIB iTWO 5D ist Martin Mense schon länger bekannt und wurde schon bei anderen Baumaßnahmen der Öffentlichen Hand in Hamburg eingesetzt. Im Zuge einer Großbaustelle zum konstruktiven Hochwasserschutz kam die Software von RIB bereits im Jahr 2014 beim LSGB zum Einsatz. Auch hier wurde, wie so häufig bei Öffentlichen Verwaltungen, ein Tabellenkalkulationssystem durch die Software für AVA und Projektsteuerung abgelöst und bewährte sich im Nachtragsmanagement, in der Terminplanung sowie im Projektcontrolling. Die Weichen für zukünftige Bauprojekte mit RIB iTWO 5D waren somit gestellt.
Durchgängige Integration der IT-Systeme
Die aktuell vielleicht größte Herausforderung besteht darin, die beiden vordergründigen IT-Systeme von RIB und SAP miteinander zu verzahnen und gleichzeitig die unterschiedlichen Autorensoftwareprogramme der beteiligten Partner einzubinden. Im Ergebnis müssen parametrisierte Standardleistungskataloge stehen, die durchgehend an RIB iTWO 5D als auch SAP angebunden bleiben. Entscheidend ist, dass sämtliche Informationen im Lebenszyklus des Bauwerks objektgebunden bereitgestellt werden, sodass sie nach der Inbetriebnahme auch für Nutzung und Wartung zentral zur Verfügung stehen.
Damit das in der Praxis funktionieren kann, braucht es unbedingt einen Open-BIM-Prozess, also produktneutrale Projektdaten, die nicht an eine spezifische Software oder an einen Hersteller gebunden sind. Dies soll unter anderem über das GAEB-Austauschformat (Gemeinsamer Ausschuss Elektronik im Bauwesen) des Bundesverbandes für Software und Digitalisierung im Bauwesen (BVBS) gewährleistet werden.
Projekterfolg als maßgebliches Kriterium
“Unsere Arbeit stützt sich derzeit auf eine BIM-Musterhaltestelle der öffentlichen Verkehrsbetriebe, die sich nach unserer Vorstellung in seriellen Bauweisen unterschiedlicher Ausführungsvarianten vervielfältigen lassen soll“, erläutert Mense. Sollten sich hieraus neue technische Vorgaben ergeben, wären die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) über den stadtweiten Kooperationsverbund BIM-Hamburg fortzuschreiben. Übergeordnetes Label dieser neuen Arbeitsmethode ist die so genannte 5D-Allianz. Hierbei strebt der LSBG Partnerschaften, nicht nur im Umfeld des Planes und Bauens, sondern ebenso im IT-Bereich an. Ziel dieser Allianz ist, den Projekterfolg ins Zentrum zu stellen und monetären Aspekten Gewichtung zu nehmen.
Lean-Construction im Öffentlichen Raum
Daneben steht das Team vor der Aufgabe, konkrete Möglichkeiten der Ausführung zu evaluieren und einen standardisierten Bauablauf festzulegen, der im Öffentlichen Raum auch abgebildet werden kann. Hierzu werden Lean-Construction-Methoden wie Last Planner® bzw. Taktplanung und Taktsteuerung verwendet, um sämtliche Gewerkegruppen nahtlos miteinander verbinden zu können.
Da bereits beim Aufbau der Arbeitsplattform zum Seriellen Bauen auf vorhandene Lösungsbausteine der Stadt Hamburg zurückgegriffen werden kann, sollen erste Bushaltestellen schon zu Jahresmitte 2027 seriell realisiert sein. „Mein Team und ich sind zuversichtlich, dass uns das gelingen wird“, ist Martin Mense überzeugt.
Bilder und Illustrationen

1.Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) projektiert aktuell insgesamt 670 Bushaltestellen in Hamburg. Es braucht zunächst einen Plan, wie sich Projektbeteiligte sinnvoll miteinander vernetzen lassen, um den bürokratischen Papierkrieg zu beenden. 25 Träger öffentlicher Bauaufgaben gibt es innerhalb der Hansestadt. Alle verantworten ihre Bauaufgaben selbstständig, haben eigene Technologien im Einsatz und grundsätzlich individuelle Geschäftsprozesse.

2. Für den seriellen Bau der Bushaltestellen gilt es zunächst, den Einkauf in der Planung, im Bau und in der Instandhaltung dies, also über den gesamten Lebenszyklus hinweg, auf ein gemeinsames Prozessverständnis zu bringen.
Bildnachweis 1 und 2: © BRENNT Design mit Midjourney

3. Als IT-Grundgerüst soll die Software RIB iTWO 5D dienen. Die Idee ist, eine Brücke zu schlagen vom technischen Entwurf des 3D-Bauwerksmodells über die AVA-Prozesse nach Standardleistung bis ins Asset-Management, das beim LSBG mit SAP S4/HANA abgewickelt wird. Bildnachweis: © RIB Software GmbH

4. Damit das in der Praxis funktionieren kann, braucht es unbedingt einen Open-BIM-Prozess, also produktneutrale Projektdaten, die nicht an eine spezifische Software oder an einen Hersteller gebunden sind. Dies soll unter anderem über das GAEB-Austauschformat (Gemeinsamer Ausschuss Elektronik im Bauwesen) des Bundesverbandes für Software und Digitalisierung im Bauwesen (BVBS) gewährleistet werden.
Bildnachweis: © Building Information Innovator GmbH mit dProB
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