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Das Komplexe einfach machen – BIM-Wissen für die Praxis

28 Oktober, 2024
9 Minuten Lesezeit

Das Kooperationsbündnis „einfach BIM“ unter Federführung der WPW LEIPZIG GmbH und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf e.V.  hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Philosophiewandel in der Baubranche aktiv mitzugestalten. Ziel war, die durchgängige Digitalisierung des Planungs- und Bauprozesses mit Open BIM voranzutreiben.

Das Bündnis realisierte gemeinsam drei ganzheitlich gedachte Bauprojekte und möchte mit den Ergebnissen Aufklärungsarbeit leisten, um für die BIM-Methode zu begeistern. Arbeiten nach der BIM-Methode bedeutet immer, dass die Arbeitsabläufe sich grundlegend verändern. BIM soll mittel- bis langfristig als Planungsstandard in Deutschland etabliert werden. Das Team von „einfach BIM“ stellte sich den Herausforderungen dieser digitalen Transformation und entwickelte neue Workflows und Vorlagen für marktübliche Softwareanwendungen. Berücksichtigt wurden dabei Praxistauglichkeit, Effizienz und Wirtschaftlichkeit gleichermaßen.

Durchgängiger Informationstransfer von der Planung bis zum Gebäudebetrieb

Eines der Projektziele mit der höchsten Relevanz bestand darin, sämtliche Projektinformationen – von der Planung über die Realisierung bis hin zum Gebäudebetrieb – mit so wenig Aufwand und Nachbearbeitung wie nur möglich vom BIM-Modell in die CAFM-Welt zu transferieren. „BIM ist ja eigentlich für den Gebäudebetrieb gedacht; dennoch gibt es sehr häufig keinen direkten Weg der Informationen von der Planung in das CAFM“, erklärt Dipl.-Ing. (BA) Julia Bock aus dem BIM Competence Team der WPW LEIPZIG GmbH. „Wir haben uns in unserem Konsortium „einfach BIM“ zusammengetan, um den BIM-Prozess tatsächlich von Anfang bis Ende zu denken und ihn so fit für die Praxis zu machen“, führt die Expertin weiter aus.

Seit dem Kickoff am 14. Dezember 2020 haben insgesamt 16 Workshops bis zum 8. Juni 2023 stattgefunden. Während der Pandemie zunächst virtuell, später dann auch in Präsenz, und pflegen bis heute einen engen Austausch und unterstützen sich weiterhin gegenseitig. Zweimal pro Jahr treffen sich die Konsortiumsmitglieder, um sich über die jeweiligen aktuellen Digitalisierungsbestrebungen sowie Möglichkeiten zur gegenseitigen Unterstützung in diesen auszutauschen. Insgesamt drei Projekte haben die 16 Mitglieder gemeinsam zum Abschluss gebracht und dabei gemeinsam die Prozesse Schritt für Schritt mit jeglichen Details entlang der Leistungsphasen 0-8 entwickelt. Alle Prozesse sind dadurch unmittelbar validiert und bringen den Erfahrungsschatz aus echten Praxiserkenntnissen mit.

High-Tech-Laborgebäudes für das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

Blick ins Innere des High-Tech-Laborgebäudes für das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.

Quelle und Leitfaden für alle Beteiligten eines BIM-Projekts

Geplant und gebaut wurden ein Rechenzentrum, ein Bürogebäude und last but not least ein High-Tech-Laborgebäude für das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). Die WPW LEIPZIG GmbH verantwortete die HLS-Planung (Heizung, Lüftung, Sanitär) für das Bürogebäude und beim Neubau für physikalische Experimente und chemische Labore zusätzlich die Elektroplanung. Die Idee dazu entstand bereits 2018 und auch die ersten Grundsteine für das Kooperationsbündnis wurden 2018 gelegt: Denn die Bauabteilung des HZDR und die Planenden bei WPW LEIPZIG verfolgten damals schon das Ziel, gemeinsam wesentliche BIM-Standards, wie zum Beispiel Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) sowie einen zugehörigen BIM-Abwicklungsplan (BAP) Realität werden zu lassen. Weitere Stakeholder aus den unterschiedlichsten Fachdisziplinen, die allesamt eine wesentliche Rolle innerhalb des BIM-Prozesses spielen, stießen nach und nach dazu. Das Konsortium setzt sich aus BIM-Interessierten aus Bauplanung, Bauausführung, Softwareentwicklung, Recht und Wissenschaft zusammen. Die wissenschaftliche Begleitung sowie die Dokumentation der Arbeitsergebnisse erfolgte durch die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig). „Wir wollten mit „einfach BIM“ etwas schaffen, das als Quelle und Leitfaden für alle Beteiligten einer Bauaufgabe mit BIM-Modellen auch in Zukunft genutzt werden kann. Das Grundgerüst für BIM-Projekte haben wir somit bereitgestellt. Und Unternehmen sind jetzt in der Lage, ihre eigenen Projekte mit Hilfe von unseren Vorlagen aufzusetzen und außerdem individuell anzupassen“, erklärt Julia Bock.

Dass die von „einfach BIM“ etablierten Workflows in der Praxis sehr gut funktionieren, stellen die Expertinnen und Experten bei WPW LEIPZIG im Rahmen ihrer eigenen Projekte immer wieder fest. Neue Teammitglieder, egal welcher Fachdisziplin, finden für gewöhnlich schnell Zugang zu den im Rahmen von „einfach BIM“ entwickelten Arbeitsabläufen und können diese nach sorgfältigem Studium der Vorlagen auch unmittelbar im Projekt anwenden, so die Erfahrungswerte der WPW LEIPZIG GmbH.

RIB iTWO 5D Screenshot AVA

Die AVA erfolgte im Rahmen der drei Bauprojekte mit der Software RIB iTWO 5D. Standardwerkzeug bei WPW LEIPZIG und Heinle Wischer.

BIM-Prozesse mit Know-how aus der Praxis für die Praxis

Die Internetseite des Konsortiums https://www.einfachbim.de dient als Wissensdatenbank und erlaubt es Firmen, nach Fachdisziplinen, nach Leistungsphasen oder auch beispielsweise nach Softwareprogrammen zu filtern und so die passenden Vorlagen inklusive aller Praxiserkenntnisse für ihre jeweiligen Belange zu finden. „Es besteht die Möglichkeit, etwa nach Software für Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) zu suchen und zu filtern“, erklärt M. Eng. Sebastian Bendix, Forschungs- und Entwicklungsingenieur bei WPW LEIPZIG. Eine Vorlage und zwei Anwendungsfälle mit zahlreichen Detailinformationen und PDF-Dateien kostenfrei zum Download werden in diesem Fall aufgezeigt. Die AVA erfolgte im Rahmen der drei Bauprojekte mit der Software RIB iTWO 5D, die auch bei den Konsortiumsmitgliedern WPW LEIPZIG und Heinle Wischer zu Projektstart bereits zu den etablierten Standardwerkzeugen zählt. Die Anwendungsfälle zeigen konkret auf, wer im Projekt mit welchen Aufgaben innerhalb welcher Prozessphase betraut ist. Für das Common Data Environment und die Kollaborationsplattform, die „einfach BIM“ für die Piloten nutzte, haben die Partner Diagramme mit allen Rollen und Zuständigkeiten inklusive Zeitplan definiert. Auch hiervon gibt es eine ausführliche Dokumentation zum Download mit Erläuterungen aller Art für jegliche Fachdisziplinen. Zusätzlich gibt es Prüfroutinen oder auch Vorlagen zur Georeferenzierung für Autorensoftware. „Das Beste ist, dass sich diese Prozesse auf jedes Projekt übertragen und anwenden lassen“, freut sich Sebastian Bendix.

Gegenseitiges Verständnis für die Aufgaben des anderen als Schlüssel

„Alle Konsortiumsmitglieder haben im Laufe des Projekts einen tiefen Einblick in die Prozesse bekommen und können diese sehr gut in der Praxis anwenden“, ergänzt Julia Bock. So seien beispielsweise Planende aus den unterschiedlichsten Disziplinen in der Lage, live innerhalb eines Autorensystems zu attribuieren. Genau diese Art von Verständnis braucht es für einen erfolgreichen BIM-Prozess, so die Überzeugung des Konsortialführers. Und es braucht vor allem ein gegenseitiges Verständnis für die Aufgaben des anderen. BIM mit diesem Grad an Integration setzt voraus, dass jegliche Schnittstellen zunächst aufgelöst und geklärt, auf ein Minimum reduziert werden. Genau das ist bei „einfach BIM“ passiert. Es wurden Standards für IFC-Modelle etabliert, mit denen alle Parteien arbeiten können. Das Verständnis dieser Prozesse wurde umfassend im Konsortium geteilt, sodass jede Partei den Mehrwert erkannte, eigene Arbeitsabläufe entsprechend anzupassen. Über zentrale softwareseitige Entscheidungen wurde stets innerhalb des gesamten Teams abgestimmt, welche Lösung die beste für alle ist. Das Resultat waren am Ende gute IFC-Modelle für den Gebäudebetrieb. Und nicht zuletzt eine tiefenentspannte Zusammenarbeit über den gesamten Projektverlauf. Mit sehr viel Zukunftspotenzial.

BIM Prozesse und Phasen im Überblick

„einfach BIM“: verschiedene Prozesse und Phasen im Überblick.

Internetseite von „einfach BIM“

Die Internetseite von „einfach BIM“ dient als Wissensdatenbank und erlaubt es Firmen, nach Fachdisziplinen, nach Leistungsphasen oder auch beispielsweise nach Softwareprogrammen zu filtern und so die passenden Vorlagen inklusive aller Praxiserkenntnisse für ihre jeweiligen Belange zu finden.

High-Tech-Laborgebäude für das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf von außen (HZDR)
Pilotprojekt, geplant und realisiert durch das „einfachBIM“-Konsortium: Das High-Tech-Laborgebäude für das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf von außen (HZDR).

Alle Fotos/Screenshots: „einfach BIM“.